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Kap 22: Kampf gegen Windmühlen

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Abgesehen vom Privatduell mit K. muß man aber schon festhalten, daß Dörflinger viel Positives bewrikte, frischen Schwung in die Abteilung brachte und sich daher immer genug interessante Aufgaben für K. ergaben. Er versuchte auch hier die daniederliegende EDV etwas in Schwung zu bringen und unterstütze seine Kollegen wo er nur konnte. Besonders die Herren Projektleiter waren immer sehr froh wenn ihr leistungsschwacher PC doch wieder unerwartet hochkam und die Textverarbeitung oder die Tabellenkalkulation wieder lief – das Verhältnis zu den Kollegen besserte sich also zusehends, die gegenseitigen Vorurteile wurden teilweise abgebaut und nach einem halben Jahr fühlte er sich erstmals richtig wohl in seiner neuen Umgebung.

Die diversen Geburtstagsfeiern oder die gemeinsame Weihnachtsfeier waren keine lästigen Termine mehr, sonder K. fühlte sich akzeptiert und als einer der dazugehörte – auch wenn er nur ein einfacher Landvermesser war. Nur mit Dörflinger stand er weiterhin auf Kriegsfuß und er schwor auch nicht nur einen Millimeter von seinen Grundsätzen abzuweichen, denn schließlich ging es hier um Prinzipien und da kannte K. keinen Spaß – und Dörflinger auch nicht. Nicht einmal mußte die Sekretärin die Türe zum Chefzimmer schließen, als K. mit Dörflicher zu Beginn meist noch bemüht sachlich, dann aber emotioneller und zum Schluß lautstark diskutierte.

K. wäre natürlich sehr gerne mit Dörflinger gut ausgekommen bzw. hätte eine freundschaftliches und kollegiales Verhältnis mit ihm gehabt, aber Herumspringen oder Kommandieren ließ er nicht mit sich. Für K. waren Vorgesetzte immer Kollegen, die auch nur mit Wasser kochten und für die es auf Grund besonderer Umstände oder durch gute Kontakte zur Gewerkschaft oder zum oberen Management etwas besser gelaufen war als für ihn und die so gesehen zufällig in diese Position gekommen waren. Bei Dörflinger war das sicher nicht so, denn seine Fähigkeiten und sein Engagement – und das mußte auch K. zugeben - waren in der gesamten ÖVU bekannt. Aber bis jetzt war Leistung nie ein Argument in eine derartige Position aufzusteigen.

Jeder Mensch hat seine Schwächen und die hatte vielleicht auch Dörflinger durch Austragen von Konflikten auf persönlicher Ebene und die hatte auch K. durch sein aggressives Verhalten Vorgesetzten gegenüber – wäre er nur je beim Fußball im Zweikampfverhalten derart aggressiv gewesen – er hätte es dort weit gebracht. Mit Kollegen auf der gleichen Ebene hatte er selten Probleme und mit Kollegen unter ihm schon gar nicht aber mit Vorgesetzten hatte er eigentlich – egal wo er war – immer seine Probleme bzw. diese mit ihm. Ein Psychiater würde dieses Verhalten sofort mit der starken Persönlichkeit des Vaters begründen und so falsch würde man da bei K. sicher nicht liegen.

Viele wären zerbrochen und viele zerbrachen auch an der starken Persönlichkeit und Dynamik Dörflingers, aber K. kampfte täglich immer wieder mit allen Mitteln dagegen an und er hätte sich eher selbst zerstört als nachzugeben. Der Kopf wurde im gleichen Maße härter als die Mauern dicker wurden gegen die er rannte. Niemand konnte ihm wirklich nachsagen, daß er mit seinen Argumenten gänzlich unrecht gehabt hätte aber jeder wußte, daß es das eine oder andere Mal besser gewesen wäre zu schweigen als Recht zu behalten. Es muß an dieser Stelle bemerkt werden, daß es zumindest für K. immer um ganz wesentliche und grundsätzliche Dinge ging, für die es schon wert war zu kämpfen.

K. war nicht unmittelbarer Vorgesetzter der Vermessungsabteilungen in den Außenstellen aber er war in gewisser Weise ihr Sprecher und er vertrat in dieser Funktion deren Interessen und damit auch die Interessen seines früheren Vorgesetzten Herb. Er kannte fast alle Vermesser persönlich, kannte deren Stärken und Schwächen und hatte mit den meisten ein freundschaftliches Verhältnis. Für viele war K. die einzige Hoffnung, um die bevorstehenden Reformen möglichst unbeschadet zu überstehen. K. hätte nur zu gerne aus diesen Leuten eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt und den Vermessern wieder einen höheren Stellenwert in der Abteilung und im Unternehmen gegeben. Er stattete sie sogar noch mit EDV-geräten und modernen Vermessungsgeräten aus , um die Schlagkräftigkeit noch zu erhöhen, und stand damit natürlich im Widerspruch zu Dörflinger, der sich vorstellen konnte auch ohne diese Gruppe von 30-40 Mann auszukommen und daran dachte sie bei günstigem Wind abzustoßen. Erschießen konnte man sie ja nicht und auch nicht geschlossen über eine belebte Kreuzung führen, aber zumindest konnte man sie an eine andere Abteilung abgeben. Dort waren sie natürlich auch noch immer da aber zumindest fielen sie dort nicht so auf. In der Anonymität einer Abteilung von über 1000 Personen würden sich diese 30 Mann schon irgendwie durchschlagen.

Immer wieder setzte sich K. für „seine Buam" ein und brachte Dörflinger mit seinem Starrsinn fast zur Weißglut. Wer nun die Charaktere der beiden kennt, kann sich nun vorstellen wie die ohnehin nicht zahlreichen Gespräche der beiden verliefen bzw. endeten: Schreiduelle im Chefzimmer, Türen die mit aller Kraft zugeknallt wurden, erhitzte und vor Zorn gerötete Gesichter, Schreiduelle am Gang, die sogar den Kollegen in den benachbarten Zimmern und Stockwerken Angst und Schrecken einflößten und Schreiduelle auf der schmalen Wendeltreppe. Gar leicht hätte da der eine oder andere trotz seines Gewichts hinunterstürzen können – noch dazu wenn völlig unabsichtlich eine Hand nachgeholfen hätte oder der eine dem anderen einen sanften Stoß gegeben hätte. Nie hatte K. mit der Fliegerei etwas zu tun aber plötzlich bekam er Angebote, „daß er sich beim nächsten Mal den Flugschein abholen könne". K. war kein großer Kämpfer und hätte auch diesen Kampf in jeder Hinsicht verloren, aber er wäre fast bereit gewesen zu kämpfen, zuzupacken und wenn nötig auch zuzuschlagen.

So zog er sich völlig frustriert in sein Zimmer zurück, schluckte den Ärger und Frust hinunter, ballte die Faust und war gelähmt vor Zorn und Ohnmächtigkeit und unfähig seiner gewohnten Arbeit nachzugehen. Sein Herz begann wieder wie wild zu rasen, herzinfarktähnliche Symptome traten auf und verschwanden nur ganz langsam. Manchmal war es besonders schlimm zwischen den beiden, aber dann war wieder für Monate Ruhe eingekehrt: Monate in denen man sich völlig ignorierte und nur über gemeinsame Bekannte Botschaften ausrichten ließ.

Wie sich Dörflinger fühlte konnte K. nie herausfinden aber wäre er wirklich nur Problem 645 für ihn gewesen, was hätte dieser Mann alles aushalten müssen in seiner Funktion.

Auch für K. war leider Dörflinger nicht das einzige Problem in dieser schwierigen Zeit, auch mit der Projektgruppe „Skepsis" hatte er wieder jede Menge Unannehmlichkeiten. Die Gruppe hatte die Schwierigkeiten von K. mit seinem Vorgesetzten natürlich mitbekommen und freute sich diebisch darüber, tröstete ihn scheinbar und ließ ihn bei der nächsten Gelegenheit gleich wieder ins Fettnäpfchen treten. Zu gerne hätte er nun wenigstens hier Erfolg gehabt, er intensivierte alle seine Bemühungen und nahm sogar die Leitung einer Untergruppe zum Thema „Datenerfassung" an, lud regelmäßig zu den Projektbesprechungen ein, diskutierte endlos mit Juristen über Grundstücke und Grundbücher und hatte bald das Konzept als wesentlichen Bestandteil des Projektes vorliegen.

Als nun alles fertig war und es an die Realisierung dieses Projektes ging und auch darum eventuell die Früchte aller gemeinsamen Bemühungen zu ernten, versuchte man nun K. wieder in altbewährter Manier aus dem Projekt zu drängen. K. nannte natürlich die entscheidenden Schwachpunkte dieses Projektes und begann ebenfalls- denn das hatte er nun schon ganz gut gelernt – ebenfalls in altgewohnter Manier gegen dieses Projekt Stimmung zu machen: bald hatte er einen Großteil der Anwender – seine Vermesser und die Liegenschaftsabteilung – davon überzeugt, daß diese Projekt kein gutes Produkt war und bald vegetierte es nur mehr dahin und schlief dann wieder ganz ein – die ganze Arbeit war damit zwar nicht ganz gratis aber umsonst. Man hatte die Rechnung zum wiederholten Male ohne den Wirt gemacht.

Der Altbundeskanzler von Wien legte einmal das Gelübde ab nie Bundespräsident zu werden und K. legte das Gelübde ab nie wieder einen Fuß über die Schwelle dieser Projektgruppe zu setzen und er hielt sich daran wirklich eisern. Wieder hatte er es also zuwege gebracht auch mit höchstem Einsatz und Engagement auch keinen einzigen Millimeter weiterzukommen. Der nach seinem Wechsel in die Generaldirektion erhoffte höhere Dienstposten wurde anderwärtig besetzt, mehrere Male mußte er mitansehen wie ihm jüngere Kollegen mit niedriger Ausbildung vorgezogen wurden und der dunkle Tunnel kam näher und näher. Er fühlte förmlich wie es ihn hineinzog in diesen Tunnel aus Frust, Zorn, Wut, Enttäuschung und Selbstzerstörung aus dem es diesmal vielleicht kein Entrinnen mehr gab.

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