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Kap 29: EIn Licht am Ende des Tunnels

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Irgendwann im sonst eher düsteren Oktober bekam er von seinen Personalchef, der sich immer sehr für ihn eingesetzt hatte, überraschend eine Mitteilung die so unglaublich und unfaßbar war, daß er zuerst an einen Scherz dachte: nach vielen Jahren zähen Ringens hatte es nun doch geklappt und alle von der Gewerkschaft bis zum Generaldirektor hatten zugestimmt, daß K. nun endlich einen höheren Dienstposten bekommen solle.
Keiner in der Familie wußte was ein 9a war aber selbst seine Kinder konnten - schon fast bevor sie noch „Mama" und „Papa" sagen konnten - „9a" sagen. Natürlich wußten sie nicht was dieser Begriff bedeutete und als Matthias zur Schule ging, konnte er ebenso wenig damit anfangen aber er konnte zumindest gut Auskunft geben über den Beruf seines Vaters: „er arbeitet bei der ÖVU und er wird nie einen 9a bekommen". Wieder ein paar Jahre später wußte er zumindest dann schon genauer: 9a ist etwas was alle bekommen, die so wie sein Vater studiert hatten, nur sein Vater hatte es nicht geschafft. Auch Caroline war es anfangs nicht leicht beizubringen, daß nach „sieben" und „acht" einfach nur „neun" kam und nicht „9a".

K. selbst war es nie ums Geld gegangen, sondern einfach nur ums Prinzip, daß eine ordentliche Leistung auch dementsprechend belohnt werden solle und man kann sich daher leicht vorstellen was dieser Augenblick nun für ihn bedeutete. Vergessen waren mit einem Schlag all die Jahre des Mißerfolges, in denen er vergeblich mit dem Kopf gegen die Wand gerannt war, vergessen waren alle Streiteren mit Dörflinger und Lehr und die Projektgruppe „Skepsis" war ihm in diesen Augenblick auch völlig egal: eine unbedeutende Truppe die ja gerne mal vorbeischauen konnte, von der er aber absolut in keiner Weise mehr abhängig war.

Was ihn ganz besonders freute war der Umstand, daß er nun auch wieder vor die Augen seines Vaters treten konnte, mit dem es in letzter Zeit immer öfter Auseinandersetzungen gab und der ihm die heftigsten Vorwürfe machte, wozu er ihn eigentlich habe studieren, wenn er ohnehin in seinem Beruf unfähig war und es zu nichts brachte – noch dazu in einer Firma wo es auch die Dümmsten zu etwas gebracht hatten – nur sein Sohn nicht.

Natürlich konnte er es anfangs genauso wenig glauben wie Angelika, die Kinder und K. selbst, der immer Angst davor hatte, daß ein Skandal wie die „Internetaffären" wieder alles zunichte machen könne. Es wäre ihm lieber gewesen er hätte das Beförderungsdekret schon in den Händen gehalten, aber Gottes Mühlen mahlen langsam und die der ÖVU noch etwas langsamer und so kam erst nach einem Jahr die Verständigung, sich im großen Sitzungszimmer zwecks Dekretverleihung einzufinden.

Es war ein ergreifender Moment, als Dörflinger seinen Namen vorlas und dabei die Bedeutung von K. für die Landvermesserei bei der ÖVU hervorstrich. Egal ob er es tatsächlich so meinte , aber es tat einfach gut und war Balsam auf die Wunden, die nun noch rascher verheilen würden. K. war so ergriffen, daß er auch umgekehrt spontan Dörflinger für seine Bemühungen dankte – wäre es nicht zu kitschig gewesen, er wäre ihm sogar um den Hals gefallen: jenem Mann den er noch vor ein paar Jahren im Zorn fast über die kleine Wendeltreppe gestoßen hätte.

Fast zur gleichen Zeit wurde auch sein Chef Dr. Lehr abgelöst und von Kollegen Frosch ersetzt, mit dem er sich vom ersten Tag an gut verstand: noch nie hatte er sich mit einem Vorgesetzten oder Chef gut verstanden, aber dieser Frosch akzeptierte ihn einfach mit seinen kleinen Schwächen, er sah seine Arbeit als wichtig an und daher konnte er auch von K. (fast) alles haben. Frosch war äußerst korrekt, nahm kaum etwas persönlich und war auf gar keinen Fall nachtragend: solche Chefs gab es wohl sehr selten und er hatte sogar K. gezähmt.

Der Begriff der „Landvermesserei" tauchte erstmals nach Jahren wieder offiziell auf und K. war sogar Leiter dieser Gruppe. Nie hätte er es für möglich gehalten, aber auf der großen Anschlagtafel vor dem Aufzug stand nun sogar auch sein Name, der Name einer Person, die man vor ein paar Jahren noch am liebsten auf den Mond geschossen hätte. Die Gruppe zu führen war nicht schwer, den K. war ja der einzige Mitarbeiter, aber er schaffte allein die Arbeit nicht mehr. Die Anforderungen waren gestiegen, alle kamen mit ihren großen oder kleinen Wehwechen zu ihm und „nein" sagen konnte er nie. Die Akten stapelten sich auf seinem Schreibtisch, Rechnungen warteten auf ihre Auszahlung, Pläne auf ihre Prüfung, Büros auf ihren Vertrag und Planer und Projektleiter auf die Pläne.

Daher sah man bald ein, daß K. nun dringend Unterstützung brauchte und Frosch setzte sich besonders für einen neuen Mitarbeiter ein. K. überlegte lange, wer wohl am besten zu ihm passen würde und wer auch realistisch zu bekommen war. Er entschied sich dann letztendlich für den etwa gleichaltrigen Bertram, den er von früher kannte und den er für äußerst kompetent hielt. Er wußte, daß er auch seinen eigenen Kopf und seine eigenen Ansichten hatte, aber das war ja prinzipiell kein Nachteil und man würde sich schon zusammenraufen.

Auch Betram war durchaus nicht abgeneigt und so hielt K. eines Tages bei Herb um die Hand seines besten Mitarbeiters an: er konnte dagegen ohnehin nichts unternehmen aber er sollte es zumindest aus erster Hand und nicht über Umwege erfahren. Mit der tatkräftigen Unterstützung von Frosch gelang es letztendlich Bertram in die Gruppe zu bekommen und noch ein zweiter kam zur Unterstützung bei der Planverwaltung und den Internetaktivitäten.

Aus dem einsamen Einzelkämpfer war nun ein schlagkräftiges Team geworden, das alle Aufgaben im Vermessungs- und Datenmanagement bewältigen konnte. Das Team war klein und schlank, zwar nicht vom Gewicht her, denn K. wog immer noch 100 kg, Bertram kam in letzter Zeit dieser Grenze auch schon nahe und auch Wolferl hatte deutlich zugelegt. Er hatte nun in Bertram auch wieder einen Ansprechpartner, mit dem er über die verschiedensten Probleme der Landvermesserei plaudern konnte, der neue Impulse brachte und den er einen Teil seiner Arbeiten in Eigenverantwortung übertragen konnte. K. hatte immer gedacht alles selber machen zu müssen, denn nur dann würde auch wirklich alles funktionieren – nun war Bertram da und er machte bald alles genau so gut.

K. war damit natürlich entbehrlicher geworden aber er sah Bertram nie als Konkurrenten, sondern er freute sich einfach darüber, jemanden Arbeiten delegieren zu können in der Gewißheit, daß sie auch in seinem Sinne und genauso gewissenhaft abgewickelt werden würden: K. und Bertram ergänzten sich wunderbar.

Allgemein schimpfte man natürlich über die Umstrukturierungen und laufenden Veränderungen bei der ÖVU, K. selbst war aber rundum zufrieden und versuchte den Dingen einen positiven Aspekt abzugewinnen: das halbgefüllte Glas war nun nicht halbleer sondern halbvoll. Die Arbeit lief wie am Schnürchen und Auseinandersetzungen oder Streit kannte er nur vom Hörensagen. Die schweren Depressionen waren vergessen und auch die Angstattacken kamen nicht mehr: er lebte zwar noch immer in der Gewißheit, daß sie jederzeit kommen konnten aber sie kamen nur mehr sehr selten. In der U-Bahn war es manchmal so, als ob sich eine ankündigen würde und auch beim Mittagessen konnte er nie ganz sicher sein : sie zeigten sich allerdings nur mehr aus weiter Ferne, wirkten nicht mehr so bedrohlich und waren eben akzeptierter Teil seiner selbst und stiller Wegbegleiter, die den manchmal bereits etwas zu übermütigen K. wieder in die rechten Schranken wiesen.

K. spürte förmlich daß er endlich durch die enge Röhre, durch dieses finstere Loch durch war und er sah erstmals wirklich ein Licht am Ende des Tunnels. Zufrieden saß er dann in seinem schwarzen Ledersessel, betrachtete die schönen Pläne an der Wand und freute sich, daß die Sache mit den digitalen Plänen im Computer so gut lief. Er war zufrieden mit sich, seinen Mitarbeitern und eigentlich der ganzen Welt.

Erstmals nach Jahren hatte er wieder Zeit für ein paar Minuten der Entspannung. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf, lehnte sich weit in seinem Sessel zurück und genoß die letzten Sonnenstrahlen, die in sein Zimmer fielen. Das Fenster stand weit offen und doch war es eigenartig ruhig. Plötzlich ..........

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