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Kap 2: Für das Leben lernen


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Irgendwann war dieses unbeschwerte Leben aber vorbei und bald hieß es regelmäßig in der Früh aufstehen und dieses kleine idyllische Häuschen mitten am Hauptplatz zu besuchen: die Volksschulzeit hatte nun für K. begonnen. Vergeblich hoffte er, daß das alles nur ein vorübergehendes Übel wäre und er bald wieder unbeschwert den ganzen Tag am Heuboden spielen könnte - aber diese Zeiten waren offensichtlich für immer vorbei. Die junge Lehrerin war weitaus strenger als die alte Urgroßmutter, sie hörte wesentlich besser und sah auch alles. Mutter Maria unternahm in dieser Zeit alles, um aus K. einen guten Schüler zu machen: der Bub sollte es einmal besser haben als sie.

Die Schule stand unmittelbar neben der Kirche mitten am Hauptplatz direkt neben der alten Schubertlinde und war schon etwas baufällig. Schon lange war die Rede von einem Neubau und daher wurden keine größeren Investitionen mehr getätigt. Turnen durfte man gar nicht richtig, sondern nur etwas Arme und Beine zwischen den Schulbänken bewegen. Ein Einsturz drohte nicht wirklich aber heraufbeschwören sollte man auch nichts. Die Klassenzimmer waren sehr schlicht eingerichtet und nur ein einfaches Holzkreuz und das Bild des Bundespräsidenten schmückte die kahlen Wände.

Meist war es nicht rentabel für jede Schulstufe einen eigenen Lehrer zu beschäftigen und deswegen unterrichtete in der Regel ein Lehrer gleich mehrere Schulstufen. Irgendwie war das schon verwirrend: es war ohnehin schon schwierig genug sich auf den Lehrstoff seiner Klasse zu konzentrieren und dann wurde man noch durch die Erklärungen an die andere Klasse zusätzlich abgelenkt. Der routinierte Oberlehrer Klemmer schaffte es offensichtlich hervorragend alles unter einen Hut zu bringen und vermittelte den Kindern doch das notwendige Wissen bei, um auch auf den Schulen in der Bezirkshauptstadt bestehen zu können.

Manche Kinder dachten offensichtlich auch nach 4 Jahren nicht daran die Schule zu wechseln, hängten noch ein paar Jahre an dieser Schule an und schafften auch irgendwie einen Abschluß. Wie das ging hatte K. nie verstanden aber für ihn wäre das sicher nie in Frage gekommen: er lernte sehr brav und hatte meist lauter Einser: als Steigerungsstufe gab es sogar römische Einser und das war schon ein Unterschied zu den normalen Einsern. Ein römischer Einser von Oberlehrer Klemmer war das absolute Ziel das es zu erreichen gab, und manchmal kollerten die Tränen über die Wangen, wenn nur ein normaler einfacher Einser im Schularbeitsheft stand: angeblich soll K. sogar einmal das Heft wutentbrannt zu Boden geworfen haben was ihm eine saftige Strafe des Oberlehrers einbrachte.

Nicht nur deswegen, auch wegen zahlreicher anderer Delikte mußte die Mutter öfter in der Schule vorsprechen: sie war ja sogar eine entfernte Verwandte von Klemmer, aber das war jedenfalls kein Grund bevorzugt behandelt zu werden – im Gegenteil da galten noch strengere Maßstäbe. Rein freundschaftlich hatte er mit einem Mitschüler ohnehin nur mit einem kleinen Messer in der Pause gespielt: die Lehrer waren aber darüber sehr erschrocken und dachten an eine ernsthafte Auseinandersetzung – wahrscheinlich an eine richtige Messerstecherei. Einmal fiel ihm unabsichtlich ein Radiergummi zu Boden und just gerade unter den Tisch seiner Schulkollegin Margarethe und als er den Radiergummi aufheben wollte hätte er ihr angeblich unter den Rock geschaut. Hätte sie wohl gerne gehabt diese Kuh, die weder hübsch war noch von K. und den anderen Klassenkameraden viel beachtet wurde. K. kam hier völlig unschuldig zum Handkuß, hatte aber trotzdem Beweisnotstand – im Zweifel gegen den Angeklagten – und bekam eine saftige Strafe und Mutter Maria wieder eine rasche Vorladung.

Bei solchen Sachen kannte Oberlehrer Klemmer, der kurz vor der Beförderung zum Direktor stand keinen Spaß: Zucht und Ordnung war oberstes Gebot in dieser Schule. Für K. war es doppelt bitter, denn er war erst vor kurzem Ministrant geworden und da waren solche Geschichten schon gar nicht erwünscht: gottseidank erfuhr aber Pfarrer August nichts und K. konnte weiter den Altardienst verrichten: er war begeisterter Ministrant und daher immer sehr enttäuscht wenn er nicht zum Einsatz kam: jeden Sonntag wurde der Altardienst für die nächste Woche bekanntgegeben und er war immer der erste bei der Tafel und suchte seinen Namen und seine Augen funkelten dann wenn er sah daß er wieder 2 bis 3 Mal Ministrant sein durfte – und noch dazu Rechtsministrant.

Der Rechtsministrant war nämlich immer der Chef und der Linksministrant durfte immer nur die niederen Altardienste verrichten und war eigentlich eher Staffage zwecks der Symmetrie am Hochaltar. Nur der Rechtsministrant durfte Wein und Wasser bringen und durfte die Klingel bedienen. Das Klingeln war eine ganz besondere Wissenschaft und erforderte eine Technik, die nur wenige beherrschten. Auch K. hatte am Anfang große Probleme der Glocke einen sauberen, hellen Klang ohne Nachläuten zu entlocken. Nur BIM-BAM war gefragt und das genau 3 Mal hintereinander und nicht weniger und schon gar nicht mehr. Die Gläubigen in der Kirche konnten sehr wohl einen guten von einen schlechten Ministranten unterscheiden und das Klingeln war sicher das entscheidende Kriterium. Noch mehr stand ein Bub natürlich unter Druck wenn allgemein bekannt war, daß auch der Vater schon früher schlecht geklingelt hatte. K. war da völlig unbelastet, denn Vater Karl kam aus einer ganz anderen Gegend und war nach eigenen Angaben ein Klingelprofi – entweder hatte er gelogen oder so etwas vererbt sich nicht: K. war nur ein eher durchschnittlicher Klingler.

Irgendwann war auch die Volksschulzeit zu Ende und K. mußte in die 15 km entfernte Bezirkshauptstadt pendeln. Nur kurz hatte er überlegt, ob er eher in die Hauptschule gehen solle oder lieber ins Gymnasium – die meisten seiner Freunde gingen in die Hauptschule aber die Mutter hatte den Ehrgeiz den sowohl K. als auch sein Vater nicht hatten und riet doch zum Gymnasium: viele Jahre würde er zwar den Eltern jetzt im Sack liegen aber dann konnte er etwas vorweisen und die Leistungen in der Volksschule waren ja nicht schlecht. Er absolvierte die erforderliche Aufnahmsprüfung und ging nur von Beate begleitet aufs Gymnasium. Die neuen Schulfreunde waren aber auch recht nett und so war man bald wieder so eine verschworene Gemeinschaft wie in der Volksschule.

Die Benotung war hier aber offensichtlich anders, denn K. der gewohnt war nur normale Einser oder römische Einser zu bekommen mußte sich manchmal auch mit einem „gut" oder „befriedigend" abfinden und einmal wurde er leichenblaß als sogar ein „genügend" im Schularbeitsheft stand – was aber fast noch mehr weh tat: römische Einser gab es hier prinzipiell keine mehr. In Mathematik hatte er nie Schwierigkeiten und er war besonders stolz als er an der Mathematikolympiade bzw. an den nationalen Bewerben dafür teilnehmen durfte – der Sieger wäre sogar nach Rußland geworden. Die Schulausscheidung hatte er ja noch gemeistert aber im Regionalwettkampf war dann auch schon Endstation.

Deutsch und Englisch war schon bedeutend unangenehmer: in Englisch haßte er das Vokabellernen und in Deutsch fiel ihm nie etwas Brauchbares ein: erst nachdem er sich meist schon aufgegeben und den Stift bereits weggelegt hatte, kamen doch noch überraschend einige Gedanken die er dann notdürftig noch zu Papier brachte und damit das drohende Unheil in Form eines „nicht genügend" abwendete. Nur beim Schreiben der Liebesbriefe unter der Schulbank hatte er etwas mehr Phantasie aber die wenigen Mädchen beachteten sie kaum, meist kamen sie auch zur Falschen und daher stelle er das bald gänzlich ein.

Und wenn ihn schon die Mädchen nicht beachteten, wollte er wenigstens vor den Lehrern auffallen und daher trieb er seine Späße mit dem gesamten Lehrpersonal. Die wenigsten hatten allerdings wirklich dafür Verständnis und daher stellte sich auch bald die erste Betragensnote ein. Zuerst war die Mutter noch entsetzt aber mit der Zeit gewöhnte sie sich daran.

Die Turnstunden waren auch eine große Umstellung, denn es mußten nicht nur Arme und Beine bewegt werden, sondern es wurden hohe Ansprüche gestellt bei den Stangen, am Reck und am Barren – und auch in der Leichtathletik ging es hoch her. Beim Laufen erzielte er noch recht ansprechende Leistungen, der Hochsprung war ein echter Flop, beim Weitsprung traf er selten den Balken und damit den Absprung richtig und der kleine Schlagball flog meist nur dorthin wohin die anderen die große Kugel stießen und beim Kugelstoßen selbst bot er die jämmerlichste Leistung.

Trotzdem war irgendwann der große Augenblick gekommen beweisen, wo man sein Können und Wissen abschließend unter Beweis stellen mußte: die Matura war abzulegen sowohl in schriftlicher als auch in mündlicher Form. Mit einer Leichtigkeit die er in der ersten Jahren am Gymnasium gar nicht kannte absolvierte er diese Prüfungen souverän und hielt bald das begehrte Maturzeugnis in den Händen.

Nur bei der anschließenden Maturafeier geriet er in leichte Turbulenzen als er erstmals doch dem Alkohol zu viel zusprach: er hätte fast die Wirkung dieser Droge unterschätzt und wäre bald in ausgelassener Stimmung in die nahe Donau gestürzt und alles vorher wäre damit vergeblich gewesen. Irgendwie zog er aber doch den Fuß wieder zurück und trat dann wenige Tage später mit seinen Klassenkameraden die Pilgerreise in die ewige Stadt Rom an.

K. naschte zufrieden im Zug seine Schokolade, die anderen Schulfreunde vernaschten die wenigen Mädchen – auch in Rom hatten die meisten nur Augen für die hübschen Römerinnen, K. hatte aber nur Augen für die Fresken der Sixtinischen Kapelle, den prächtigen Petersdom und die anderen Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt.

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