Kap 15: Ein EDV-Skandal

Ein EDV-Skandal

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"Back again" – wieder in der altehrwürdigen Direktion angekommen, glaubte K. zu bemerken, daß sich einige Kollegen sogar über seine Rückkehr freuten. Viele hätten es ihm bei seiner Einstellung zur Firma ja nicht zugetraut, daß er die Kaserne Hörth auch nur einigermaßen unbeschadet überstehen würde.

Aber Unkraut verdirbt bekanntlich nicht – das mußte auch Herb erkennen, der die Rückkehr eher mit gemischten Gefühlen betrachtete: einerseits hielt er K. zwar für einen guten, kompetenten Mann aber andererseits sah er eine Menge Schwierigkeiten auf ihn zukommen. Er hatte eigentlich bereits alles erreicht in der Firma, war in Sphären und Dienstklassen vorgedrungen wie noch kein anderer Landvermesser je zuvor bei der ÖVU und er hätte sich nun ganz gerne ein ruhiges, beschauliches Leben bis zu seiner Pensionierung, die zwar noch nicht unmittelbar bevorstand aber an die man zumindest schon denken durfte, gewünscht. Er wußte und ahnte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht, daß K. noch das kleinste Problem war im Vergleich zu jenen die im Zuge der brutalen Reformen in den nächsten Jahren noch auf ihm zukamen.

Der auch bereits vom Präsident mehrmals kritisierte "finstere Blick", den K. immer wieder mit den Worten "ich habe bis jetzt bei der ÖVU noch nicht viel zu lachen gehabt" rechtfertigte, erhellte sich ein wenig als K. die zwei kleinen netten Computeranlagen in der Abteilung sah.

Der begeisterte EDV-Freak und interessierte Computerfreund stürzte sich förmlich auf die nächstgelegene Maschine und begann sie auf Herz und Nieren zu untersuchen.

Er wurde aber sofort wieder auf den Boden der harten Realität zurückgeholt als er die abenteuerlichen Sperren sah, mit denen der PC abgesichert war. Man durfte also selber gar nichts programmieren, sondern nur die von der hohen EDV-Abteilung vorgefertigten heiligen Bildschirmmasken und Menüs verwenden, die den ungeübten Anwender sicher auf seiner Reise am Bildschirm begleiteten sollten, K. aber förmlich die Zornesröte ins Gesicht trieben.

Kollege Groll als zuständiger EDV-Betreuer erklärte K. telefonisch, daß alles nur zu seinem Besten sei, Fehlmanipulationen damit gänzlich ausgeschlossen wären und daß es gänzlich unmöglich und gegen die "große Linie" wäre auch nur einen kleinen Speicherbereich für eigene Entwicklungen freizugeben – schließlich müßte so ein PC ja "deppensicher" (dh.: auch für Diplomingenieure geeignet = "akademikersicher") sein.

Gerade diese sehr hartnäckige Einstellung der EDV-Zentrale beflügelte K. geradezu nach Möglichkeiten zu suchen, diese Sperren und Einschränkungen zu umgehen Irgendwie war sich K. seiner kriminellen Gedanken schon bewußt aber andererseits wollte er eigentlich nur das an der Uni und bei Holinka erworbene Wissen auch hier optimal einsetzen bzw. es der ÖVU zur Verfügung stellen.

In mühevoller Kleinarbeit begann er die abenteuerlichen Routinen nachzuvollziehen und er wunderte sich wieviel Zeit hier offensichtlich in diese unsinnige Absicherung investiert worden war. Nach 2 Tagen hatte er aber den PC doch geknackt und frei verwendbar für eigene Anwendungen und Entwicklungen gemacht.

Doch er hatte nicht mit der Schläue und Professionalität der EDV-Abteilung gerechnet: eine einzige Kleinigkeit hatte er offensichtlich übersehen und dies sollte K. in den nächsten Tagen zum Verhängnis werden. Unerwartet und völlig unangekündigt meldetet sich der PC am frühen Nachmittag mitten in einer komplizierten Berechnung mit einem Ton der sowohl K. als auch seinem Zimmerkollegen durch Mark und Bein ging und zusätzlich erschien auch noch ein kleiner Hinweis am Bildschirm "Sie haben eine unserer Sperren umgangen – melden sie sich unverzüglich bei ihrem EDV-Betreuer".

K. sah als einzige Möglichkeit den sofortiger Notausstieg: Hauptschalter aus und nach einigen Minuten wieder ein. Gebannt verfolgte er nun die Meldungen am Bildschirm und stellte nach dem Neustart erleichtert fest, daß offensichtlich wieder alles in Ordnung war: kein schriller Ton mehr, keine lästige Bildschirmmeldung - alles lief wieder wie am Schnürchen und K. konnte seine zuvor unterbrochenen Rechenarbeiten wieder fortsetzen. Ein halber Tag war damit zwar verloren, da die Daten nicht gesichert waren, aber was war schon ein halber Tag in Vergleich zu den Jahren die K. noch bei der ÖVU zu verbringen hatte, was war ein halber Tag im Vergleich zu den unzähligen Stunden und Tagen die K. in der Firma schon verzweifelt totgeschlagen hatte. K. hatte keine großen Zukunftsperspektiven aber er hatte nun zumindest einen PC.

Doch nach 2 Tagen riß ihm am späten Nachmittag wieder dieser fürchterliche Ton aus seiner Arbeit und auch diesmal sah K. nur als letzte Chance: Hauptschalter aus, Hauptschalter ein – Neustart – "New Game", die Arbeit eines halben Tages wieder verloren.

Obwohl auch diesmal wieder alles in Ordnung zu sein schien, ahnte K. schon, daß diese Sache noch nicht ausgestanden war: ständig rechnete er wieder mit einer entsprechenden Meldung begleitet mit dem höllischen Ton – auch nachts wachte er mehrmals schweißgebadet auf und so kam es wie es kommen mußte: nach exakt 2 Tagen war es wieder soweit: der Ton war noch schriller als je zuvor und die Meldung lautete nun "jetzt ist es zu spät – die Festplatte wird gelöscht".

Ganz vorsichtig legte K. den Hauptschalter wieder um, schaltete behutsam wieder ein, schloß die Augen und wartete und hoffte daß er wieder hochkommen würde: doch nun rührte sich nichts mehr, absolute Stille nachdem auch der Ventilator seine letzten Drehbewegungen ausgeführt hatte. Zu allem Überdruß ging nun K. anschließend 2 Wochen auf Urlaub und es blieb ihm nichts anderes übrig als Herb eine entsprechende Nachricht zu hinterlassen, daß der Computer irgendein Problem habe.

Alles weitere erfuhr er dann von seinen Kollegen als er zurückgekehrt war – Herb war offensichtlich völlig fertig und erzürnt und wollte K. am liebsten gar nicht mehr sehen:

Nachdem am darauffolgenden Montag Herb nämlich Groll anrief mit dem Ersuchen den PC kurz anzuschauen und wieder startklar zu machen, flog die ganze Sache natürlich auf. Groll war so erzürnt, daß er Herb androhte den Computer sofort abzuziehen: jener PC um den Herb solange gekämpft hatte, das Schmuckstück der kleinen Vermessungsabteilung, verloren nur wegen K.‘s Unvernunft und Ungehorsam.

Groll war natürlich auch nicht bereit den Fehler sofort zu beheben: erst nach mehreren Tagen gab er Herb’s Drängen und Flehen nach – voher mußte er ihm allerdings versprechen K. nach dessen Rückkehr ordentlich ins Gebet zu nehmen. Er baute die geheimnisvollen Sicherungsroutinen wieder ein, installierte Programme teilweise neu und der PC funktionierte wieder einwandfrei.

K. mußte nun zähneknirschend alle Forderungen der heiligen EDV-Abteilung akzeptieren, Reue und Einsicht zeigen und er beschloß zugleich sein Wissen nicht mehr einzubringen wenn das nicht erwünscht war hier bei dieser Firma. Er hatte ja Familie, er hatten seinen Sport und so schrie er oft am Wochenende am Fußballplatz all das hinaus was er in dieser Firma nicht sagen konnte und durfte.

Und er erfreute sich in nächster Zeit auch an den neuen Vermessungsgeräten die nun endlich eingetroffen waren und einen Technologiesprung in der altehrwürdigen Direktion bedeuteten. Dieser EDV-Skandal hatte aber auch den Nebeneffekt, daß er sich natürlich wie ein Lauffeuer verbreitete, allerorts heftig diskutiert wurde und jeder irgendwie dazu Stellung beziehen wollte.

Manche bezeichneten K. als Spinner und Querulanten, dem man nun endlich gezeigt habe wo es lang gehe bei der ÖVU, andere aber sahen in ihm nur einen engagierten Mann, der sich vom System nicht alles gefallen ließ, mache bewunderten ihn sogar weil er vielleicht das getan hatte , was sie schon längst gerne getan hätten wenn ihnen der Verstand nicht anders geraten hätte.

Der Verstand bzw. die Vernunft hatten K. offensichtlich auch diesmal wieder im Stich gelassen und ins offene Messer laufen lassen. Interessanterweise kam aber auch Groll in der EDV-Zentrale zunehmend unter Druck: irgendwo gab es offensichtlich auch in höheren Chefetagen Leute die meinten, daß es durchaus Sinn gäbe, die Aktivitäten engagierter Mitarbeiter nicht gänzlich zu unterbinden oder gar zu verteufeln.

Zur Überraschung der gesamten Vermessungsriege wurden Herb und K. in die EDV-Abteilung zu einer Aussprache gebeten: Groll wartete dort bereits mit seinem Vorgesetzten, bot Kaffee und Kuchen an und empfing die beiden ungewöhnlich freundlich. Man diskutierte in entspannter, angenehmer Atmosphäre, Groll gab sich in Anwesenheit seines Vorgesetzten betont diplomatisch. Die Verhandlungen zogen sich über mehrere Stunden und K. hatte dann erreicht wofür ihn seine Kollegen bei der Rückkehr stürmisch feierten: 20% des Computer-Speicherplatzes waren nun frei gegeben für eigene Entwicklungen – eine ausgesprochene Sensation.

Auch wenn er seit Jahren bei Holinka und an der Uni immer über 100% verfügt hatte: auf diese 20% konnte er zu Recht besonders stolz sein. K. glaubte nun erstmals daran, daß er - wenn die Erfolge in den nächsten Jahren so weitergehen würde – auch bei der ÖVU bald dort war, wo er schon lange vorher war.

Endlich konnte er mit den Entwicklungen angepasst an die neuen Vermessungsgeräte und Vermessungstechnologien beginnen und er stellte zufrieden fest, daß auch Hartnäckigkeit – zugegeben unverhofft und wahrscheinlich nicht oft – auch zum Ziel führen kann.