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 Kap 13: Caroline

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In dieser für K. sehr schweren Zeit bei der ÖVU litt auch das Familienleben sehr. K. hing meist nur in seinem Zimmer herum, hatte vieles von seiner sonstigen Fröhlichkeit verloren und ließ sich nur selten von seiner Angelika oder seinem Matthias, der immer prächtiger gedieh, aufheitern. Und er belastete mit seinen Sorgen zusätzlich Angelika, die ohnehin genug zu tun hatte, nachdem sie wieder ihre Lehrtätigkeit aufgenommen hatte. Als Sonderschullehrerin war sie ja Kummer gewohnt, aber K. war sicher in dieser Zeit ihr schwierigstes Kind.

Zusätzlich hatte Angelika kurz zuvor eine Fehlgeburt in dritten Monat erlitten, was auch nicht gerade das Stimmungsbarometer in der Familie hob. Zumindest erkannte K. nun für kurze Zeit, daß nicht nur beruflicher Erfolg das Wichtigste und Einzige im Leben war, sondern es offensichtlich doch noch andere Werte gab. Auch er wollte schon lange dem Matthias einen neuen Spielkameraden in Form eines Schwesterchens oder Brüderchens bescheren und verstärkte daher seine Aktivitäten im privaten Bereich und im Liebesleben.

Es mußte dann offensichtlich in einer dieser extrem kalten Dezembernächte 1987 passiert sein bevor es wenige Wochen später zur Gewißheit wurde: ein Geschwisterchen war unterwegs. Die zahlreich durchgeführten Schwangerschaftstests waren immer positiv und auch die Ärztin konnte die Ergebnisse nur bestätigen. In den ersten drei Monaten war aufgrund der letzten Fehlgeburt natürlich eine große Nervosität bei den werdenden Eltern zu verspüren, doch nachdem diese kritische Phase überstanden war, begann man sich langsam auf die neue, erfreuliche Situation einzustellen.

Angelika war diesmal besonders vorsichtig und schonte sich wo es nur ging: diesmal dufte nichts mehr schiefgehen. Trotzdem war sie immer wieder verunsichert, wenn sie für längere Zeit plötzlich nichts mehr spürte oder das manchmal heftige Strampeln in ihrem Bauch nachließ.

Doch diesmal verlief alles wieder nach Plan und die Ultraschallaufnahmen bestätigten dies auch.

Auch Matthias nahm Anteil an dem bevorstehenden Ereignis: irgendwie spürte er aber instinktiv, daß da nicht nur ein potentieller Spielkamerad unterwegs war sondern auch eine Konkurrenz mit der er in der nächsten Zeit die Aufmerksamkeit und Zuwendung seiner Eltern, Großeltern und der gesamten Verwandtschaft teilen mußte. Es war auch zu befürchten daß all sein liebgewonnenes Spielzeug vielleicht nicht ungeschoren davonkam. Aber er freute sich trotzdem schon mächtig.

Der heiße Sommer machte es nicht gerade leichter für Angelika und an Gewicht hatte sie schon jetzt mehr zugelegt als bei Matthias: auch K. nahm offensichtlich so großen Anteil an der Schwangerschaft, daß auch er kräftig zunahm und die gefürchtete dreistellige Horrorzahl auf der digitalen Badezimmerwaage immer näher rückte.

Die alte Weisheit, daß beim zweiten Kind schon alles viel leichter sei, bestätigte sich auch bei Angelika und K.: man hatte offensichtlich doch schon mehr Routine und die Namenswahl, der Kauf der notwendigsten Ausstattung für das Baby und alles andere war wesentlich leichter als beim ersten Mal. Als Namen wurden Alexander und Caroline ins Auge gefaßt.

K. hatte Angelika versprochen, diesmal unbedingt bei der Geburt dabeizusein unter der Voraussetzung, daß es sich um eine normale Geburt und nicht wieder um einen Kaiserschnitt handeln würde. Er hatte sich diesmal auch vorgenommen bei den ersten wehenähnlichen Schmerzen unverzüglich zu reagieren bzw.agieren und Angelika bis zum Schluß nicht mehr zu verlassen.

Die Wehen traten dann knapp vor Mitternacht ein, gerade noch rechtzeitig um den auch bereits leicht nervösen Schwiegervater für die Fahrt ins Spital zu mobilisieren. Dort angekommen verbrachte man noch einige Zeit auf dunklen Gängen und in dunklen Zimmern. Die manchmal gespenstische Ruhe wurde nur von den Wehen, die in immer kürzeren Abständen kamen, unterbrochen.

Erst am Morgen - es war der 16. September - war es dann soweit: Angelika wurde in die Entbindungsstation geführt und auch K., der jetzt noch gerne einen Rückzieher gemacht hätte, kam mit.

Er wurde vorher noch mit den wichtigsten Utensilien wie Arztkittel, Plastikschuhen etc. ausgestattet und bekam von den Schwestern noch einige Tips, wie er sich am besten anzustellen habe, um Angelika am sinnvollsten zu unterstützen bzw. den Geburtsvorgang möglichst wenig zu behindern.

Erst jetzt konnte er die Witze verstehen, die immer über die Männer gemacht wurden, die bei der Geburt mehr Hilfe benötigten als die Frauen selbst – auch K. fühlte sich ziemlich hilflos und er sah, daß ihm all seine großartiges technisches Wissen wohl hier nicht viel helfen würde. Er hatte ein sehr flaues Gefühl im Magen, das sich nur dann etwas besserte als er an das bevorstehende freudige Ereignis dachte.

Viel mehr als Angelikas Hand zu drücken konnte oder mußte K. nicht tun aber er war zumindest einmal da wenn Angelika ihn brauchte.

Wie ihn Trance erlebte er dann alles Weitere: Angelikas Stöhnen, das beruhigende Zureden der Schwester und dann das Baby, das es sehr eilig hatte das Tageslicht zu erblicken und die zufriedenen Bemerkungen des herbeigerufenen Arztes. Erst als alles vorbei war, konnte er wieder die heftigen Regentropfen, die auf die Fensterscheiben trommelten, wahrnehmen. Bis zum Schluß hatte K. eher wieder mit einem Buben gerechnet aber er freute sich fast dann noch mehr als er hörte, daß es ein Mädchen war (mitbekommen hatte dies K. in seiner Nervosität trotz ständiger Anwesenheit gar nicht).

Das Baby wurde fachmännisch abgenabelt, säuberlich gewaschen und dem noch von der Geburt sichtlich mitgenommenen stolzen Vater in die Arme gelegt. Er konnte nun seine stramme Tochter erstmals näher betrachten: das Ohr war noch etwas eingedrückt aber sonst war sie ein recht ansehnliches Baby und schreien konnte sie schon besonders gut. Diesmal hatte K. nur eine kurze Schonfrist: schon nach wenigen wurde Tagen wurde das Schreien zu Hause fortgesetzt.

Wieder hatte Angelika noch kurz zu bedenken gegeben, ob der sicher nicht sehr gebräuchliche aber wohlklingende Name Alina nicht doch besser als Caroline wäre, aber in altbewährter Manier nützte K. auch diesmal die momentane Schwäche Angelikas und erledigte rasch alle Behördenwege.

Matthias betrachtete Caroline zu Beginn noch etwas skeptisch und er konnte sich natürlich überhaupt nicht vorstellen, daß auch er früher so laut hatte schreien können, war kurze Zeit darüber sogar sehr entsetzt und überlegte kurz sogar einen vorübergehenden Umzug zu seinen Großeltern: die Neugier wandelte sich in Eifersucht, Eifersucht wandelte sich wieder in Neugier und Erstaunen – irgendwie war es ihm aber sichtlich nicht unangenehm, daß nun zusätzlich Stimmung in die Bude kam und er half seinen Eltern wo er nur konnte.

Er konnte zu dieser Zeit sicher noch nicht ahnen, welche Probleme er mit Caroline noch bekommen würde aber auch nicht welche gute Spielkameradin sie zeitweise abgeben würde.

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